Samstag, Juli 10, 2010

Incomparable suffering

Was ist schlimmer - sich einen Arm zu brechen oder ein Bein? Einen Freund zu verlieren oder ein Haustier? Einsam zu sein oder in unerträglicher Gesellschaft? Zuhause eingesperrt zu sein oder auf der Straße leben zu müssen?

Wie kann sich ein Mensch anmaßen, zu vergleichen? Zu bewerten, welches Leid schwerer wiegt, wer mehr Recht darauf hat, zu klagen, zu weinen, zu verzweifeln?

Was wiegt schwerer - die Amputation eines Fingers oder die eines Unterschenkels? Dass die über Jahre gepflegte Rose im Garten eingeht oder dass das Auto gestohlen wird? Zu wenig Freiheiten zu haben oder vor lauter Unsicherheit jeden Halt zu verlieren? Geschlagen zu werden oder vor lauter Liebe erstickt? Ein Schnupfen oder eine Prellung am Knie?

Ich bin es leid. So leid.

"Mir geht es viel schlimmer als dir" - woher weiß ich das? Ich weiß nicht, ob für dich körperliche Unversehrtheit schwerer wiegt als psychische, ob für dich der Verlust des Augenlichts bedeutsamer wäre als der des Gehörs, ob du an deinem Olivenbaum mehr hängst als an deinem Meerschweinchen. Mir ist selten dasselbe Leid geschehen wie dir. Und selbst wenn - ich kann nicht in dich hineinsehen, kann nicht fühlen, wie das gleiche Ereignis sich in deinem Herzen anfühlt, kann nicht erfassen, welche Auswirkungen es auf dein Denken und Fühlen hat.
Du weißt nicht, ob für mich nicht eine juckende Hautkrankheit viel schlimmer ist als für dich. Dass du mit deinem ekelhaften Chef klarkommst, heißt nicht, dass ich es auch muss. Was du mit Leichtigkeit wegsteckst, kann mich an den Rand eines Nervenzusammenbruchs führen - und umgekehrt. Das Ende einer Beziehung führt den einen zum Selbstmord, den anderen in die nächste Kneipe.
Es ist wie eine verquere Variante des biblischen Zitats "Wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein": Der, dem es am schlechtesten von euch geht, der trete bitte vor. Und wie viele Menschen gibt es, die dann zumindest insgeheim gerne vorträten.

Wer das von einem Anderen geäußerte Leid nicht als subjektiv für diesen genauso bedeutsam anerkennt, wie das eigene Leid es für die eigene Person ist, ist gedankenlos und hochmütig. Er spricht dem Anderen das Recht auf Schmerz, Traurigkeit, Wut ab...und fügt ihm so noch mehr Leid zu.

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