Dienstag, Juni 15, 2010

Am Leben

Selbst in der gewöhnlichen Realität seiner Erfahrung empfindet er es als ungewöhnlich, seine Füße auf dem Boden zu spüren, zu spüren, wie seine Lungen sich mit der Luft, die er atmet, ausdehnen und zusammenziehen, zu wissen, daß er, wenn er einen Fuß vor den anderen setzt, sich von dort, wo er ist, dahin bewegen kann, wohin er geht. Er findet es ungewöhnlich, daß ihn an manchen Morgen, wenn er sich kurz nach dem Aufwachen niederbeugt, um seine Schuhe zu schnüren, ein so intensives Glücksgefühl durchströmt, ein so natürliches und harmonisches Gefühl des Einsseins mit der Welt, daß er sich in der Gegenwart lebendig fühlt, in einer Gegenwart, die ihn umgibt und durchdringt, die über ihn hereinbricht mit der jähen, überwältigenden Erkenntnis, daß er am Leben ist. Und das Glück, das er in diesem Augenblick in sich entdeckt, ist ungewöhnlich. Und ob es ungewöhnlich ist oder nicht, er findet dieses Glück ungewöhnlich.
zitiert aus Paul Auster (1993), Das Buch der Erinnerung. In: Die Erfindung der Einsamkeit, S. 166.
 
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