Montag, August 22, 2005

Suicidal Tendencies?

Gerade bin ich von zuhause hierher gefahren. Meine erste Fahrt bei Regen und Dunkelheit seit langer Zeit. Ich hatte, als ich mich ins Auto setzte, tatsächlich beinahe das Gefühl, ich würde nie zurückkommen. Die Sicht war anfangs miserabel, ich fühlte mich oft geblendet von den Autos hinter mir, das Fernlicht konnte ich selten anmachen, teilweise war ab 80 km/h Aquaplaning zu merken, und mein Heckscheibenwischer ging nicht.
Meine Mutter hatte mich gebeten, doch erst morgen früh zu fahren - aber ich musste unbedingt weg. Sie macht sich immer unheimlich viel Sorgen...okay, ein bisschen versteh ichs ja, aber sie übertreibt es ein wenig. Nein, ich konnte nicht mehr daheim bleiben. Zwar treffe ich mich morgen erst um 14 Uhr mit meinen Leuten, aber ich muss noch so viel erledigen. So vieles - was ich eigentlich heute schon hätte tun wollen/sollen, aber natürlich bin ich schon gleich so spät aufgestanden dass ganz klar war dass das nichts werden würde. Morgen möchte ich wenigstens die Chance haben, einiges von meiner To-do-Liste erfolgreich zu bewältigen. Ob das dann wirklich klappt, werden wir sehen.
Ich bin einfach total hinter meinem Plan. In gut 2 Wochen ist die erste Prüfung und ich habe irgendwie das Gefühl, immer tiefer und tiefer zu fallen. (Ich sollte wieder Baldrian schlucken...) Momentan weiß ich nicht wovor ich am meisten Angst habe: Vor Prüfung 1, wo ich zwar schon eine Menge Wissen habe, wo mir aber die Spezialliteratur fehlt und der Prüfer mehr als unsympathisch ist? Oder vor Prüfung 2, wo ich wahrscheinlich noch mehr implizites Wissen habe, aber noch keinen Plan, wie ich das Spezialthema angehen soll, und nicht zuletzt keine Ahnung habe, wie das klappen soll, wo doch der Prüfer ständig von einem Thema zum nächsten springt? Oder vor Prüfung 3, für die ich einfach noch gar nichts gemacht habe, was sich bitter rächen könnte, weil die Stofffülle einfach erschreckend ist...? Vor den drei Prüfungen die danach kommen, habe ich bei weitem weniger Angst.
Interessant ist dabei, dass die vorletzte Prüfung, Methodenlehre, eigentlich das Horrorfach für mich sein müsste, bin ich doch durch beide Statistikprüfungen je einmal durchgefallen. Doch da hat sich die Angst ganz ordentlich auf die anderen Prüfungen verlagert, seitdem ich in unserer Lerngruppe zunehmend merke, dass ich inzwischen einfach einige Zusammenhänge mehr kapiert habe als manch ein anderer - nicht zuletzt wohl deswegen weil ich auch durch Statistik II durchgefallen bin und den ganzen Kram deshalb erst kürzlich nochmal gründlich anschauen "durfte". Andere Leute, die seit mindestens einem Jahr keine Statistikformeln mehr gesehen haben, werden in der Prüfung mehr Probleme haben als ich. So seltsam es für mich selber auch klingt: Wenn ich nicht gerade die blödesten Aufgaben erwische, werde ich diese Prüfung bestehen. Nicht unbedingt mit 1,0 vielleicht, aber bestehen, und das ist bei Methodenlehre schon einiges wert. Besonders, weil sich viele Leute per Attest vor der Prüfung drücken und sie ins nächste Semester "splitten". Ich, der alte Statistikdepp, werde das nicht tun! Morgen geh ich in die Uni und unterschreibe auf der Liste hinter meinem Namen. Ich werde diese Prüfung ganz ruhig angehen und ich werde sie bestehen.
Nun, besonders vor den ersten beiden Prüfungen allerdings habe ich verdammt viel Angst. Ich kann kaum ruhig sitzen, wenn ich gerade mal nicht arbeite. Ständig laufe ich hin und her. Ein guter Grund wirklich, meine Baldrianperlen wieder herauszuholen - und hoch zu dosieren.

Und da kam mir heute eine Idee. Ich möchte einmal versuchen eine kleine Analogie aufzustellen:
Schmerz hilft ja bekanntlich gegen Schmerz. Wenn mir der Kopf weh tut und mir dann jemand auf den Fuß tritt, vergesse ich die Kopfschmerzen sofort, solange bis mein Fuß nicht mehr weh tut. Ein "Gegenschmerz".
Hilft womöglich auch Angst gegen Angst? Die Angst vor den Prüfungen, wird die dadurch zeitweilig verdrängt, dass ich beispielsweise im Auto durch eine stürmische Nacht fahre und jederzeit damit rechne, dass ich einen Unfall baue? Ich behaupte mal: Ja. Jedenfalls kam mir, solange ich vorhin hierher gefahren bin, kaum der Gedanke an die Prüfungen.

Während der Fahrt habe ich zum ersten Mal seit ein oder zwei Monaten einen Sampler gehört, den ein lieber Mensch für mich zusammengestellt hat. Es ist beeindruckend, wie viel ich mit diesen Liedern verbinde. Es sind all die Stücke, die üblicherweise laufen, wenn ich bei ihm sitze auf ein Bier oder zwei, oder auch mal keines. Ich war schon relativ lange nicht mehr bei ihm; irgendwie vermisse ich das sogar. Auch das lenkt gewaltig von der Prüfungsangst ab...
Ich habe mir auf der Fahrt irgendwann die Frage gestellt, nach welchen Gesichtspunkten er diesen Sampler zusammengestellt hat. Es sind alles Lieder, die für ihn absolut typisch sind; die Abfolge wirkt für mich inzwischen völlig natürlich (oder einfach nur gewohnt?). Durch ihn bin ich auch aufs Samplerbasteln gekommen - nachdem ich für meinen Freund in relativ kurzer Zeit einen zusammengestellt hatte, der das Thema und den Titel "Light" hatte, habe ich nun auch für ihn einen gemacht, "Howling at the Moon". Allerdings glaube ich, dass ich ein anderes Auswahlsystem habe als er. Die Songs die ich für ihn ausgesucht habe, sind nicht unbedingt typisch für mich (finde ich), sondern drücken eher das aus, was mir einfällt, wenn ich an ihn denke. Ironischerweise hat sich eine Art übergreifender (textlicher) Zusammenhang gebildet, ohne dass ich das unbedingt beabsichtigt hätte. Er könnte verdammt viel reininterpretieren wenn er das wollte.
Ich hab bisher noch keine Rückmeldung erhalten was er davon hält. Ich kann nicht mal sicher sein ob er die CD schon gehört hat. Einerseits, einerseits würde ich ja zu gerne dabei sein wenn er sie zum ersten Mal hört, und ihn beobachten (besonders bei einigen ganz bestimmten Liedern *g*). Andererseits irgendwie auch wieder nicht. Warum? Aus Angst? Angst er könnte eben zuviel reininterpretieren? Angst er könnte die Songs nicht gut finden (was gut möglich ist, da ich einige "riskante" Lieder ausgesucht habe)?
Vielleicht würde auch diese Angst mich von den Prüfungen ablenken, zumindest einen Abend lang.

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